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Theater gegen Antisemitismus
„Für Demokratie einstehen, wachsam sein“
von Alexander van de Loo Das Frankfurter Theater La Senty Menti gastierte am Dienstag, 23. September, an der Weingartenschule Kriftel. Für die Zehntklässler stand das Stück „All that matters“ auf dem Programm – eine Inszenierung, die die Erlebnisse der elfjährigen Jüdin Vera Gissing während des Holocausts erzählt. Die Produktion wurde 2024 mit dem Kinder- und Jugendtheaterpreis „Karfunkel“ der Stadt Frankfurt ausgezeichnet.
Am 7. Oktober jährt sich das von der Terrororganisation Hamas verübte Massaker an 1.200 Juden in Israel zum zweiten Mal. Seitdem hat sich vieles verändert. Antisemitismus findet auf mehreren Ebenen – zum Beispiel im Zuge propalästinensischer Democamps, der Ausladung jüdischer Künstler oder offenen Anfeindungen - verstärkt wieder statt. Deutsche Juden sprechen offen über die Frage, ob sie in Deutschland noch sicher sein, noch erwünscht. Vor kurzem hatte ein Einzelhändler in Flensburg ein Plakat in sein Schaufenster gehängt, indem er Hausverbot für Juden aussprach. Solche Vorfälle rufen die Schrecken der Vergangenheit wach. Umso wichtiger ist es gerade jetzt, dass Schulen das Thema Judenverfolgung thematisieren – so wie die Weingartenschule mit großzügiger Unterstützung ihres Fördervereins.
Rettung durch Kindertransporte
Im Mittelpunkt des Stücks steht die Geschichte von Vera Gissing, geborene Diamant. Erzählt wird ihre wahre Geschichte. Gemeinsam mit ihrer Schwester musste sie 1939 ihr Heimatdorf nahe Prag verlassen, nachdem die Nazis die Tschechoslowakei besetzt hatten - in der Aufführung effektvoll mit projizierten Bildern und dem Sound von Panzern, Flugzeugen und marschierenden Soldaten untermalt. Die Eltern vertrauten ihre Töchter einem der Kindertransporte an, die vom britischen Bankier Nicholas Winton organisiert wurden und rund 10.000 jüdischen Kindern das Leben retteten. Mit nichts als einem kleinen Koffer reiste Vera nach England, wo sie bei einer Pflegefamilie ein neues Leben begann.
Hauptdarstellerin Liora Hilb hat in der Gedenkstätte Yad Vashem in Israel Auszüge aus Veras Tagebuch entdeckt und für die Bühne bearbeitet. Sie verbindet die Texte mit eigenen Reflexionen und lässt so Vergangenheit und Gegenwart ineinanderfließen. Co-Darstellerin Beate Jatzkowski begleitet die Szenen mit Akkordeonmusik, mal atmosphärisch untermalend, mal dialogisch ergänzend. Hinter halbhohen, schwarz-weißen Figuren schlüpften die beiden Darstellerinnen in wechselnde Rollen: Veras Eltern, ihre Pflegefamilie, ein Nazi-Offizier – und Nicholas Winton.
Die comicartig gezeichneten Figuren stammen von der Illustratorin Leonore Poth, die auch einen Animationsfilm beisteuerte. Mit wenigen Requisiten, klaren Bildern und einer eindringlichen Sprache gelingt es dem Ensemble, Flucht und Verfolgung für die Jugendlichen greifbar zu machen. Die Beschränkung auf das Wesentliche lässt das Wort umso stärker wirken. Am Ende stellt Liora Hilb Fragen ans Publikum: „Was hat euch berührt? Welche Botschaft nehmt ihr mit?“ Die Antworten zeigen, dass das Stück Wirkung hinterließ.
Wehren gegen Vorurteile
Schülerin Julie fand es „wichtig, dass dieses Thema an Schulen vermittelt wird“. Malte warnte: „Der Holocaust wird zu oft verharmlost.“ Und Lotte freute, „dass das Stück auf Menschen aufmerksam macht, die mit Mut Schlimmes verhindert haben“. Lehrerin Gisela Franzke, die ihre Klassen im Vorfeld auf das Stück vorbereitet hatte, zog ein klares Fazit: „Ich hoffe, ihr wehrt euch immer gegen Vorurteile – auch im Alltag. Für Demokratie einzustehen bedeutet, wachsam zu sein. Geschichte darf sich nicht wiederholen.“