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DAS passiert in Kriftel

Schichtweise Sichtweisen sichtbar machen

Bunte und Stencl zeigen 50 neue Werke

von Alexander van de Loo Am Abend des 15. Oktober wurde das Rathaus in Kriftel sinnbildlich zu einem Bergwerk. Es galt nämlich, Schichten freizulegen – im Denken, im Fühlen, in der Wahrnehmung. Folgerichtig trägt die aktuelle Ausstellung des Kulturforums Kriftel den Titel „S(ch)ichtweise“. Bürgermeister Christian Seitz eröffnete gemeinsam mit Dr. Frank Fichert, dem Vorsitzenden des Kulturforums, die Vernissage. Die Künstlerinnen Susanne Bunte und Monica M. Stencl zeigen Werke, die auf unterschiedliche Weise das Sichtbare und das Unsichtbare erkunden – malerisch, fotografisch, intuitiv, experimentell. „Sichtweisen und Schichtweisen beschreiben für uns dasselbe Prinzip“, erklärte Monika Stencl. „Jedes Bild ist ein Prozess – ein Zusammenfügen und Auftragen diverser Schichten, ein Spiel zwischen Oberfläche und Tiefe.“

Künstlerin Stencl neben ihrem Bild.
Monica Stencl.

In den über 50 ausgestellten Exponaten geht es weniger um den abgebildeten Gegenstand als vielmehr um den Gedankenraum, der sich beim Betrachten öffnet. Moderne Kunst überschreite immer wieder Grenzen – zwischen Gefühl und Verstand, zwischen Erinnerung und Gegenwart, zwischen Materie und Vorstellung, betonte Monica Stencl: „Denn alles, was ein Bild zeigt, ist bereits Vergangenheit. Kunst hält fest, was flüchtig ist – oder verwandelt Vergänglichkeit in etwas Dauerhaftes.“ Am besten zu überprüfen sei dieses Prinzip an ihrem Triptychon „Wasser macht, was es will“. Die drei Fotoabzüge auf Aludibond unter Acryl zeigen Wasser in Bewegung eingefroren. Ein Zustand, der so nie wiederkommen wird.

Zwei Perspektiven – ein Thema

Künstlerin Susanne Bunte lebt in Hofheim. Schon als Kind griff sie zu Stiften und Wasserfarben, fand aber erst über den Unterricht zur Malerei als Ausdruck ihrer inneren Kraft. In der abstrakten Malerei entdeckte sie den Raum für Lebendigkeit und Intuition. „Ich habe keine Vorstellung vom Ergebnis, wenn ich beginne“, sagt sie. „Ich male von innen nach außen, beginne zum Beispiel mit schwarz, um Farbschicht auf Farbschicht daraufzulegen“. Anschauliches Beispiel für diesen Schaffensprozess sei ihr Gemälde “Träume“.

Ihre Inspiration schöpft sie aus Natur, Bewegung, Licht – und aus der regelmäßigen Beschäftigung mit anderen Künstlern. „Wir haben uns weiterentwickelt“, betonte Bunte. Wer die Ausstellung der beiden Künstlerinnen in Kriftel vor zwei Jahren gesehen hat, wusste, wovon sie spricht. „Die 50 Arbeiten sind alle neu!“

Zwei Jahre intensiver Schaffenskraft lägen hinter ihnen. „20 Stunden die Woche waren wir künstlerisch tätig“, führt Stencl aus. Sie hat sie Kunstpädagogik an der Universität Frankfurt studiert. begann früh zu zeichnen und zu fotografieren – beides prägt ihr Werk bis heute. In der Malakademie Frankfurt fand sie zu einer experimentellen Ausdrucksform, weg vom Gegenständlichen. „Form und Farbe wurden zu Hauptakteuren“, sagt sie. Aktuell zeigt sie in Kriftel abstrakte Acrylmalerei und Fotografien, die Grenzen zwischen Medien bewusst verwischen. Die beiden Künstlerinnen kennen sich seit vielen Jahren, lernten sich in einem Frankfurter Malkurs kennen.

Künstlerin Bunte neben Bild.
Susanne Bunte neben ihrem Bild "Träume". Fotos: van de Loo

Bunte arbeitet eher spontan, gestisch, impulsiv: „Ich muss aus mir heraus!“ Ihre Vorbilder reichen von Karl Otto Götz, dem großen Vertreter des deutschen Informel, bis zu Jackson Pollock, dem amerikanischen Action-Painter. Auch Anklänge an Fritz Winter oder Gerhard Richter sind spürbar – im Wechsel von Dynamik und kontrollierter Fläche.

Stencl hingegen geht leiser, reflektierter vor. Sie spricht von ihren Bildern als „Spiegel der Seele“. In ihrem Atelier in Neu-Isenburg entstehen Arbeiten, die Ruhe und Tiefe ausstrahlen. Sie hat mehrere Fotografien in der Ausstellung – darunter das programmatische Werk direkt am Eingang „Sichtweise“.  Als Fine Art Print erinnert es an ein Gemälde, ist aber – wie sie betont – aus dem Moment entstanden: „Das Licht war einzigartig, ich musste es einfangen“. Exemplarisch für viele Arbeiten: den flüchtigen Moment festhalten.

Ein breites Spektrum

Neben großformatigen Arbeiten zeigt Stencl auch kleine Schwarzweiß-Fotografien, während Bunte meistens in Farbenstrichen schwelgt. Sie macht aber auch auf die „Tulpe“ aufmerksam: „Da habe ich etwas Gegenständliches in meine Formsprache eingebaut.“ Sie sei ruhiger geworden, bekennt Bunte. Beide spannen einen weiten Bogen – von flirrenden Bewegungen bis zu meditativer Klarheit.

Die Resonanz am Eröffnungsabend war erfreulich groß. Bürgermeister Christian Seitz, brachte es in seiner Ansprache auf den Punkt: „Eine gelungene Präsentation!“ Und lobte den verdienten Einsatz der Organisatorinnen Anke Heerda und Susanne Vogt. Regen Zuspruch erfuhr die Versteigerung eines abstrakten Bildes von M. Stencl. Für die musikalische Begleitung sorgten Jan Ole Schneider und Frank Eigler, deren Griff in die Popkiste am Abend für die nostalgische Note sorgte.

Der Vorsitzende des Kulturforums Dr. Fichert appellierte noch einmal an den Gemeinschaftssinn von Gemeinde und Kulturforum, „wir arbeiten gut zusammen“, und wandte sich an das Publikum mit der Frage: „Was haben die Künstlerinnen sich dabei gedacht?“

Auf den Fluren hörte man anerkennende Stimmen: „Mal was anderes“, „satte Farben“, „zum Abtauchen“, „lässt Raum für Interpretationen “. Eine gut gelaunte Frauenclique aus Kriftel und Hofheim lobte den Ausdruck und die Intensität der Bilder. Die Arbeiten versprühten eine neue Energie: „Aus dem Dunklen ins Licht“, so ihre Meinung. Alexander van de Loo

Die Ausstellung ist bis 12. November im Rat- und Bürgerhaus Kriftel, montags bis mittwochs 8–12 Uhr, donnerstags 16–18 Uhr und freitags 8–12 Uhr, zu sehen.