Zeitung auf Schreibtisch - Aktuelles

Immer informiert

DAS passiert in Kriftel

Palette beeindruckt mit Bandbreite

65 Jahre Palette: „No Risk, No Art!“

Abgewandelte "Mona Lisa".
Abgewandelte "Mona Lisa".

von Alexander van de Loo  Im ersten Stock grinst die Mona Lisa. „Wir sind wohl die einzige Behörde in Deutschland, in der diese Ikone hängt“, schmunzelte der Vorsitzende des Kulturforums Kriftel, Dr. Frank Fichert, in seiner Ansprache. Und als wollte sie das Geheimnis ihrer Herkunft oder vielleicht auch die Aufregung über ihre Zweckentfremdung klein halten, hat sie den Finger über ihren Mund gelegt. Sie ist das Werk von Palette-Mitglied Wladimir Lewtschenko. Und ein gutes Beispiel dafür, wie vielfältig sich die Frankfurter Kunstvereinigung Palette auf ihrer 65-jährigen Jubiläumsvernissage im Krifteler Rathaus präsentierte.

Viele der 14 hier ausstellenden Künstler haben keine formale Ausbildung an einer Kunstakademie, haben früher einen anderen Brotberuf gehabt oder neben ihrer Erwerbstätigkeit als Hobby gemalt. Im Laufe der letzten 65 Jahre ist der eine oder andere Kunstberufene zu der Gruppe gestoßen. Insgesamt sind es heute etwa 70 Mitglieder. Seit 1960 besteht die Palette Frankfurt, in Frankfurt-Höchst als lebendiger und engagierter Kunstverein gegründet. Dort haben sich Künstler und Freizeitkünstler vorwiegend aus dem Raum Frankfurt zusammengeschlossen. Sie waren und sind für alle Kunstrichtungen offen. Natürlich sind Acryl-, Aquarell- und Ölmalerei vertreten, aber auch Radierung, Collage und Fotografie. Wie offen diese Künstlervereinigung ist, lässt sich an über 50 unterschiedlichen Exponaten der verschiedensten Kunststile im Krifteler Rathaus auf zwei Ebenen gut überschauen.

Der Verein sei nach wie vor gefragt, wie Sprecherin Vera Stein hervorhebt: „Auch in diesem Jahr ist es uns beispielsweise gelungen, die 63. Internationale Kunstausstellung im Frankfurter Römer zu realisieren – ein eindrucksvolles Zeichen dafür, dass wir weiterhin aktiv, kreativ und zukunftsorientiert wirken. Besonders freuen wir uns aber, in diesem Jahr erneut im Rathaus Kriftel ausstellen zu dürfen.“ Dass sie an diesem Ort bereits 2019 die Gelegenheit hatten, ihre Kunst zu präsentieren, daran erinnerte auch Kriftels Bürgermeister Christian Seitz positiv in seiner Ansprache. Der Verein lebe, wachse und blicke mit großer Zuversicht in die Zukunft. Dafür stehen (und hängen) die Ausstellenden Vera Stein, Wladimir Lewtschenko, Genilda Spivak, Olena Kolotova, Zofia Kwestorowska-Markowsky, Ruth Krämer, Natalie Milosevic, Lorena Martínez Carbajal, Heidemarie Mohrig-Jost, Jegor Valk, Zurab Kereselidze, Martin Lange, Ekkehard Coburger, Ganna Melnyk und Claudia Körner.

Vera Stein neben ihrem Kunstwerk.
Vera Stein neben ihrem Kunstwerk. Fotos: vdLoo

Breit gefächert

Viele davon sind Autodidakten und Spätberufene wie Vera Stein. Die ehemalige Mathematiklehrerin ist seit zehn Jahren dabei. Dass sie gerne mit Amadeo Modigliani flirtet, zeigt sich gleich am Eingang. Dort hängt ihr Frauenporträt, dessen Gesichtszüge an die Kunst des italienischen Malers und Bildhauers erinnern. Was interessiert sie an dem Künstler? Vera Stein fasziniert die geheimnisvolle Aura der Gemälde Modiglianis. Die versuche sie einzufangen, die leeren Augen, die introspektive Haltung. Doch Stein kann auch anders. Oben im ersten Stock hängt etwas versteckt eine Rückenansicht von zwei Frauen, eher zart impressionistisch hingetupft. Zwischen diesen Antipoden bewege sie sich. Damit steht sie beispielhaft für die breite Palette der Kunst dieser Gruppierung ab.  „Sehr bunt, sehr vielseitig und abwechslungsreich“: Das weiß auch der Bürgermeister zu schätzen.

Wer den Blick im Forum schweifen ließ, konnte sich an den unterschiedlichsten Stilen und Techniken kaum satt sehen. Vom anschaulichen Porträt, über ätherische Ölskizzen, expressiven Blumen und einer idyllischen Seelandschaft bis hin zu politischen Themen und experimenteller abstrakter Malerei reicht die Bandbreite, die sich zwischen den Amtsstuben als farbenfroher Kontrast präsentierte. Das kam beim Publikum an.

Ein lebendes Kunstwerk

Die Künstlerinnen Susanne Bunte und Monica Stencl zum Beispiel, die die letzte Ausstellung im Kulturforum bespielten, waren sehr angetan von den Porträts der Malerin Lo Martinez Carbajal. „Die kann was“, lobte Bunte mit klarem Blick.

Einer der Paletten-Künstler lief an diesem Abend praktisch als lebendes Kunstwerk durch die Ausstellung. Martin Lange hatte seinen alten „schön bunten“ Malerkittel vor ein paar Tagen weggeworfen und seinen neuen ausgepackt. Der war weiß. Zu weiß. „Also habe ich gleich mal ein paar Motive drauf gemalt“, sagt er verschmitzt. Dinosaurier, Paulchen Panther und vor allem sein Motto „No Risk, No Art“. Wie meinte er das? Irgendwann müsse man mal die Hosen runterlassen als Künstler und zeigen, was man kann, erklärt Lange.

65 Jahre Kunst und Leidenschaft lautet das Motto der Palette. Ob im Stil Gerhard Richters, als Hommage an den Revolutionär Che Guevara oder mit vertrockneten Sonnenblumen a la van Gogh, die 14 Kunstschaffenden sind mit Freude dabei. Musikalisch untermalt wurde die Veranstaltung von Musiker und Komponist Leonel Fernández Ortega, der karibische Rhythmen von seiner Musikbox gekonnt auf der Klarinette begleitete. Da ließen sich sogar ein paar Pärchen zu Tanzschritten hinreißen. Oder Scheine in den Korb zu werfen. Denn traditionell wurden auch wieder Bilder versteigert. Eine Abstraktion und ein Haus am See bekamen neue Besitzer.

Künstler im bunten Malerkittel mit Seitz und Fichert.
Martin Lange hat seinen Malerkittel mit Dinosaurier, Paulchen Panther und vor allem seinem Motto „No Risk, No Art“ geschmückt.

Dr. Frank Fichert reflektierte in seiner Laudatio auf 1960, das Gründungsjahr der Palette. Das Jahr, in dem John F. Kennedy gewählt wurde, die Olympischen Spiele in Rom stattfanden und Muhammad Ali seinen ersten Boxkampf hatte. In den Kinos wurde Psycho gezeigt und in Hamburg fand der erste Auftritt der damals noch unbekannten Beatles in Hamburg statt. In der Kunstszene Frankfurt zeigte sich mit dem Frankfurter Hermann Goepfert die ZERO-Bewegung auf dem Höhepunkt, prägten Karl Otto Götz und Emil Schumacher die abstrakte Kunst der Zeit. Auf dem internationalen Kunstmarkt markierten Claes Oldenburg und Andy Warhol den offiziellen Beginn der Pop-Art-Bewegung. Künstlerische Spuren dieser Bewegungen finden sich auch im Krifteler Rathaus an der Wand. Alexander van de Loo

Die Ausstellung ist noch bis zum 23. Dezember zu sehen. Montags, mittwochs und freitags von 8 bis 12 Uhr und donnerstags von 16 bis 18 Uhr.