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DAS passiert in Kriftel

Zwei Bänke für die Nachbarschaft

Zwei Nachbarschaftsbänkchen eingeweiht

Nachbarschaft ist auch nicht mehr das, was sie einst war, so hört man oft. Aber stimmt das denn? Werfen wir doch mal einen Blick zurück: Früher, in vorindustrieller Zeit, als die meisten Menschen auf dem Land lebten, war nachbarschaftliche Hilfe eine Notwendigkeit. Die Nachbarn genossen da in etwa die gleiche Wertschätzung wie Verwandte. Kein Wunder, waren sie doch dicht dran am eigenen Leben. Man half sich bei der Ernte, beim Bau von Häusern, kümmerte sich gemeinsam um die Einlagerung von Lebensmitteln. Man war häufig aufeinander angewiesen und passte aufeinander auf.

Doch welche Bedeutung hat die Nachbarschaft heute noch? Vieles hat sich ja verändert: Heutzutage ist man viel mobiler, kennt seine Nachbarn oft kaum noch und schert sich wenig drum, was diese denken.

Bänkchen verbinden

In Zeiten von Covid-19 hat sich allerdings in dieser Hinsicht einiges geändert, wie auch Bürgermeister Christian Seitz am Freitagmorgen in seiner kleinen Ansprache auf dem Krifteler Pestalozziplatz zu berichten weiß: “Gerade in Coronazeiten steht der Nachbar und die einander helfende Gemeinschaft wieder mehr im Fokus.“ Dafür sei so ein „Nachbarschaftsbänkchen“, wie das, vor dem er sich gerade befinde, ein passendes Symbol. Das bestätigt auch die anwesende Kriftlerin Renate Brand, die freiberuflich als Coach und Beraterin tätig ist. Sie gewann 2019 mit ihrem Projekt „Nachbarschaftsbänkchen“ den Stiftungspreis der Caritasstiftung in der Diözese Limburg. Ein Wettbewerb, mit dem innovative Ansätze gefördert werden sollen, die Generationen verbinden können. Durch das Preisgeld konnten neue Bänke für den Main-Taunus-Kreis angeschafft werden. Es fanden sich schnell Sponsoren in Kriftel, wie die Schreinerei Scheffler (Produktion der Bänke und Transport), die SIGNIA GmbH (Metallplaketten) und Herr Hasel von HaselDruck (Flyer), die ohne Gewinn halfen.

Fünf von diesem Budget finanzierte Holzbänke sollten im Rahmen der Veranstaltung „Ideenwerkstatt Nachbarschaft“ weitergegeben werden, die jedoch aufgrund von Covid-19 abgesagt werden musste. „Nun ermöglichen die aktuellen Vorgaben, dass sich Menschen wieder über Generationen und Familien hinweg begegnen können – mit Schutzmaßnahmen natürlich und am besten an der frischen Luft. Da ist die Idee der Nachbarschaftsbänkchen passender denn je, um einfach und risikoarm ins Gespräch zu kommen“, ist Renate Brand sich sicher. Zwei der Bänkchen stehen sicherheitshalber fest angekettet in Kriftel. Am Pestalozziplatz zum Beispiel. Dort sind an diesem Morgen einige Nachbarn zusammengekommen.

Begeisterte Nachbarn

Sie alle finden die Idee mit der Bank „richtig klasse“. Nachbarin Birgitt Lindner beobachtet und benutzt das Bänkchen seit fünf Wochen. „Hier setzen sich gerne ältere Leute hin, die vom Friedhof kommen“, hat sie beobachtet. Man redet miteinander, geht achtsam mit sich um.

Gute Nachbarschaft und auch die Bank wolle gepflegt werden, ergänzt Renate Brand. Daher überreicht sie Birgitt Lindner stellvertretend für alle Anwohner zwei Pinsel und eine Lackdose als Pflegeset. „Die Bank ist eine tolle Initiative“, lobt Bürgermeister Seitz zum Schluss. Er freue er sich immer, wenn Krifteler gemeinsam anpacken und etwas auf die Beine stellen.

Platz zum Gestalten

Wie gerne Krifteler Bürgerinnen und Bürger initiativ werden, konnte Kriftels Bürgermeister auch beim zweiten Termin an der Landwehr hautnah erfahren. Dort war es richtig voll. Der kleine namenlose Platz an der Straße war mit über 20 erwachsenen Nachbarn und sieben Kindern gut gefüllt. Mittendrin die Bank. Für den Platz sei das Nachbarschaftsbänkchen eine Bereicherung, meint Anwohnerin Helen Wendel, die mit Mann und Kindern da ist. Und mit frischen Ideen. Sie ist froh, dass so viele Nachbarn gekommen sind.  Das Interesse sei groß, man komme mit Leuten ins Gespräch, die schon seit sechs Jahren hier wohnen, und mit denen man bisher kaum Kontakt hatte. Eben „ein klares Bekenntnis gegen Anonymität“, wie Seitz das Nachbarschaftsbänkchen richtig einschätzt.

Offen für Ideen

Das findet auch Nachbar Volker Keine, der seit 40 Jahren an der Landwehr wohnt: Er ergreift die Chance, dass der Bürgermeister anwesend ist, und die Gelegenheit zum Reden beim Schopf. Energisch stellt er die Ideen von Nachbarin Wendel vor. Das Bänkchen könne doch ein Anfang sein. Der Platz sollte am besten neu gestaltet, die Bäume regelmäßig bewässert werden. Denn diese kämpften ums Überleben. „Am besten gleich neue pflanzen, das Pflaster aufreißen und die Erde auflockern“, gibt Bürger Kiene sich visionär. So entstünde ein ganz neues Flair am Platz und noch mehr Miteinander. Das fänden alle Nachbarn gut.

Bürgermeister Seitz holt tief Luft und antwortet entspannt. Die Gemeinde habe ja schon an anderer Stelle bewiesen, dass sie neu und gut gestalten könne, und auch schon viel Geld ausgegeben. Bewässerung sei angesichts der Trockenheit schwierig, man solle ja Wasser sparen. Grundsätzlich sei er immer offen für kreative Ideen, so Seitz weiter, „es sind ja keine Luftschlösser“.  Man werde einen Weg finden, da ist er sich sicher. Es gehe darum, dass die Einwohner sich mit Kriftel identifizieren und die Gemeinde mitgestalten.

Das Medium Bank funktioniert also bestens, das wird hier allen klar. Eine gelungene Einweihung: Bürgermeister, Bürgerinnen und Bürger sind ins Gespräch gekommen. Das nächste Mal setzt man sich zusammen und schaut, was geht. Ob auf der Nachbarschaftsbank oder im Rathaus. Das Wichtigste dabei: Man redet mit- und nicht nur übereinander. Alexander van de Loo

Wer Interesse hat, in seinem Umfeld ein Nachbarschaftsbänkchen aufzustellen, kann sich direkt bei Renate Brand melden. Eines ist noch zu vergeben. Das Angebot gilt für den MTK und das gesamte Einzugsgebiet des Bistums Limburg. Renate Brand begleitet die "Bankpaten", bis die wichtigsten Fragen geklärt, ein guter Platz gefunden und erste Gespräche gelungen sind. Bitte melden unter mail@renate-brand.de oder 0177-9244372.