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DAS passiert in Kriftel

Wirtschaftssenior braucht Geduld

Nicht nur ein gutes Netzwerk, sondern auch Geduld und Einfühlungsvermögen sind gefragt

Seit 2004 bietet Hans Bergmann (76) im Rat- und Bürgerhaus einmal im Monat eine qualifizierte Beratung an: Ob Existenzgründung, Firmenübernahme, Job-, Studiums- oder Praktikumssuche, Karriereplanung und Unternehmenssicherung – der ehemalige Bankdirektor kann aus reichem Erfahrungsschatz schöpfen. Als „Pate“ hilft er anderen Menschen dabei, beruflich auf die Beine zu kommen. Der Erste Beigeordnete Franz Jirasek, in der Gemeinde auch für die Wirtschaftsförderung zuständig, bedankte sich jetzt bei einem Gespräch über das abgelaufene Jahr im Rathaus herzlich bei Bergmann für sein großes ehrenamtliches Engagement. 2019 hat der „Wirtschaftssenior“ für seine Beratungstätigkeit 1.056 Stunden bei der Betreuung von 13 Projekten eingesetzt.

Menschen aus der ganzen Region melden sich für Beratungsgespräche im Krifteler Rathaus an. Es hat sich herumgesprochen, dass Bergmann über ein großes Netzwerk verfügt. Nur ein einziges Projekt wurde ihm im vergangenen Jahr von der Agentur für Arbeit vermittelt. Alle anderen „Klienten“ waren durch Presseberichte auf die Sprechstunde aufmerksam geworden und aus eigener Initiative zu ihm gekommen.

Reicht süßes Gebäck zum Lebensunterhalt?

So zum Beispiel ein Syrer, Vater von sechs Kindern und in der Heimat einst ein als Konditor erfolgreicher Unternehmer, der sich hier in Deutschland nun mit einem kleinen Verkaufsstand für süßes Gebäck auf Wochenmärkten den Lebensunterhalt verdienen möchte. „Da war viel zu organisieren und abzuklären“, berichtet Bergmann. Zum einen aufgrund des ‚subsidiären Status‘ mit befristeter Aufenthaltsgenehmigung, die einen Zugang zum Arbeitsmarkt erschwert, zum anderen ganz praktisch in der Anschaffung eines Standes oder die Suche nach einer Küche. „Zum Leben wird der Verdienst zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht reichen“, glaubt Bergmann, der den Klienten trotzdem unterstützt, aber sein Engagement in die „richtigen Bahnen“ zu lenken versucht.

Zwei Damen wandten sich an ihn, die als Franchisenehmerinnen nach einem französischen Geschäftsmodell ein Backstuben- und Bistrokonzept übernehmen wollten. „Hier musste ich - nach Prüfung aller Unterlagen - aufgrund einer undurchsichtigen Buchführung des damaligen Betreibers vor einer Übernahme warnen“, so Bergmann. „Das kam natürlich zunächst bei den Damen nicht gut an, denn sie wollten sich einen Traum erfüllen. Manchmal tut die Wahrheit weh.“ Inzwischen seien die Frauen froh, nicht auf das Angebot eingegangen zu sein.

Seine Tätigkeit verlangt viel diplomatisches Geschick. „Oft weichen die Vorstellungen und Erwartungshaltungen der Jobsuchenden, Auszubildenden, Abiturienten, Praktikanten oder Karrierebewussten erheblich von der Realität ab - sowohl von den vorhandenen Qualifikationen als auch der Verfügbarkeit einer adäquaten Stelle her“, erklärt er. „So ist viel Geduld, Überzeugungskraft und auch Einfühlungsvermögen erforderlich, bis die erörterten Aspekte vom Klienten akzeptiert werden, um die weitere Vorgehensweise zu besprechen und zu planen.“

Beeindruckendes Schüler-Unternehmen

Besonders beeindruckt hat ihn eine Gruppe von jungen Unternehmern, die eine „coole“ App für Gamer (Fans von Computerspielen) entworfen haben. Bergmann: „Da es sich um Schüler unter 18 Jahren handelt, war hier zum Beispiel zu klären, wer haftet, wenn die Idee nicht erfolgreich ist und was für eine rechtliche Form ein Unternehmen haben kann.“ In der Vergangenheit hatte er mehrfach versucht, Jugendlichen im Rahmen eines fünf Tage dauernden Workshops an unterschiedlichen Schulen für die Gründung von Unternehmen zu begeistern, aber ohne großen Erfolg. „Vielleicht liegt es auch daran, dass im Vergleich zu anderen Ländern die Bevölkerung hierzulande eher risikoscheu ist. Die Angst mit einem Unternehmen zu scheitern, hält viele von einer Gründung ab. Zudem glauben viele, nicht über die nötigen Fähigkeiten zu verfügen“, hat er beobachtet.

Einigen Klienten konnte Bergmann im vergangenen Jahr bei der Umsetzung eines neuen Marketingkonzeptes, Finanz- oder Steuerplanes sowie bei Fragen der Unternehmensnachfolge beziehungsweise -übernahme helfen.

Nachfolger gesucht!

Spaß und Freude hat er nach wie vor an seiner Tätigkeit, vor allem, da er immer wieder Menschen helfen kann. Dennoch würde er sich über einen Partner freuen: Der Maschinenbauingenieur Rudolf Jäger, der ihn in der Vergangenheit bei einigen Beratungen unterstützt hatte, stand leider aus persönlichen Gründen 2019 weitgehend nicht mehr zur Verfügung. „Ich bin daher erneut auf der Suche nach einem Nachfolger“, betont Bergmann. Franz Jirasek versprach, sich umzuhören. „Denkbar wäre auch eine Kooperation mit einem Verein, der Wirtschaftsberatungen in anderen Kommunen anbietet“, findet Hans Bergmann.

Wichtig ist es ihm, dass jeder Interessent in der Sprechstunde auch weiterhin zunächst einmal sein Anliegen schildern kann, ohne dass Kosten anfallen. „Erst wenn ich richtig einsteige und den Menschen oder die Firma längerfristig berate, berechne ich eine kleine Aufwandsentschädigung“, so Bergmann. Der Betrag von 20 Euro pro Stunde sei „symbolisch“ zu sehen, damit klar wird, dass es sich hier nicht um eine Unterstützung handelt, die mal eben nebenbei erfolgt. „Der Dank der Menschen ist sowieso der schönste Lohn“, betont Bergmann. Zu manchen Kunden hat er über Jahre Kontakt. Eine Klientin schrieb kürzlich: „Mit Ihnen an der Seite fühle ich mich nicht mehr ganz so hilflos und habe neuen Mut gefasst.“

Hans Bergmann bietet jeden zweiten Dienstag im Monat von 16 bis 19 Uhr eine Wirtschaftsberatung im Rat- und Bürgerhaus Kriftel an. Beratungstermine können unter 06192/43622 oder per Mail unter wirtpatekri@t-online.de vereinbart werden.