Zeitung auf Schreibtisch - Aktuelles

Immer informiert

DAS passiert in Kriftel

Erinnern und Gedenken

Volkstrauertag: Erinnern, Gedenken und ein Weckruf

In vielen Geschäften ist bereits alles auf Weihnachten ausgerichtet. Die Gedanken richten sich langsam auf ein friedliches Weihnachtsfest. Doch vor den Adventssonntagen liegt ein Gedenksonntag: der Volkstrauertag, an dem das Volk seiner Toten gedenkt. Und das wollten am Sonntag, den 17. November, wieder viele Menschen vor dem Mahnmal auf dem Krifteler Friedhof. Würdevoll, wie jedes Jahr, wurde an diesem besonderen Tag mit angemessenen Gedichten, Liedern und feierlichen Ansprachen dem Anlass gebührender Respekt erwiesen. In passendem grauen Novemberwetter ließ sich die zahlreich erschienene Zuhörerschaft zum Nachdenken über die Schrecken des Krieges und die Bewahrung des Friedens anregen - darunter Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr, der DRK-Ortsvereinigung, Vertreter der DLRG, Fahnenträger vom SV 07 Kriftel und der Feuerwehr Kriftel sowie Vertreter vieler Vereine.

Ein wertvolles Gedenken

Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge schlug den Gedenktag nach dem Ende des 1. Weltkriegs 1919 vor. 1922 fand die erste Gedenkstunde im Reichstag statt. 1926 fiel die Entscheidung, ihn zur jährlichen Einrichtung zu machen, genannt „Sonntag mit reichsweiter Staatstrauer“. Die Nationalsozialisten verdrehten in ihrem Sinne 1934 den Volkstrauertag und verfälschten ihn zum Heldengedenktag. Doch dieser Tag war, ist und bleibt in seiner Bedeutung ein Tag der Trauer um die menschlichen Verluste der Kriege, heute zynisch „Kollateralschäden“ genannt.

Fast hatte man das Gefühl, dass er nie wertvoller als heute war. Warum? Weil er uns in diesen Zeiten vor Augen führt, wohin Hetze, Hass und kriegerische Auseinandersetzung führen. Jedes Jahr wird an die Millionen Kriegstoten und Opfer der Gewaltbereitschaft und Gewaltherrschaft aller Nationen gedacht. Der ursprüngliche Gedanke, dass es nur um Kriegstote geht, ist aus guten Gründen ein Stück erweitert worden. So werden jetzt auch die Opfer von Rassismus, Terror und Gewaltherrschaft mit eingeschlossen.

Nicht vergessen

Diese Ausweitung war auch einer der Schwerpunkte der eindringlichen und mahnenden Rede von Kriftels Bürgermeister Christian Seitz, der Zeichen für eine heutige Bedrohung des Friedens auch in Deutschland sah „in einer Zeit, in der wie in Hamburg linksradikale Gruppen mit viel Gewalt und Zerstörung versuchen, einen internationalen Politikgipfel zu attackieren, und in der ein rechtsradikaler Täter in Halle einen gezielten Anschlag auf eine jüdische Synagoge verübt. In einer Zeit, in der der Hass auf Minderheiten und nationales Gedankengut wächst, Hetze in den so genannten sozialen Netzwerken gang und gebe sind, Politiker mit Morddrohungen unter Druck gesetzt werden und sogar wie der Regierungspräsident Walter Lübke gezielt ermordet werden.“

In Zeiten wie diesen sei es geboten, wenigstens einmal im Jahr innezuhalten und der Opfer gemeinsam zu gedenken. „Damit die Grausamkeiten der Vergangenheit nie aus unseren Gedächtnissen verschwinden.“

Sensible Darbietungen

Musikalisch eingerahmt wurde das gemeinsame Gedenken von der Kapelle Stüben und dem Männerchor des Gesangverein Liederkranz. Sie bewiesen mit Musikstücken wie „Ich hatt‘ einen Kameraden“ von Friedrich Silcher und Liedvorträgen „Wie sie so sanft ruh’n“  von Friedrich Burchard Beneken ein sensibles Gespür für das Thema des Tages. Besonders bewegend waren die Gedichtdeklamationen der Weingartenschülerinnen Samridhhi Sinha und Finia Paloma Ferrando-Stenner. Samridhhi kreierte mit ihrem Vortrag des Gedichtes „Krieg“ eine ergreifende melancholische Stimmung. Die leise von den Bäumen fallenden Blätter bildeten dazu die passende Kulisse.

Für ein friedliches Miteinander

Passend auch das Antikriegsgedicht „Bleuet“, geschrieben von Guillaume Apollinaire, vorgetragen von Herve Cagny, Gemeindevorstand von Kriftels Partnerstadt Airaines, in dem es um einen jungen Mann ging, der den Tod besser kennt als das Leben.

Der Vorsitzende des Vereinsrings Kriftel, Bodo Knopf, Vorsitzender der Gemeindevertretung, hob in seiner Totenehrung in diesem Zusammenhang die Freundschaft zwischen Kriftel und der nordfranzösischen Stadt Airaines hervor: Es sei nicht selbstverständlich, dass aus alten „Erbfeinden“ von damals heute versöhnliche Freunde geworden seien. Nach seinem feierlichen Beitrag, der auch die Opfer des Terrorismus und des Rassismus und eine Mahnung an die Lebenden, ein friedliches Miteinander zu fördern, miteinschloss, wurde es still unter den Anwesenden.

Wachsam sein

In der Ruhe der Kranzniederlegung konnte sich jeder Gedanken über die wohl gesetzten Worte von Christian Seitz machen und seine ganz persönlichen Antworten finden.  „Wir dürfen menschlichem Leid gegenüber nie gleichgültig sein und müssen dort mutig einschreiten, wo Mitmenschen unsere Hilfe brauchen“, mahnte Seitz eindringlich. Zivilcourage sei kein bloßes Wort, sondern das „Lebenszeichen einer menschlichen Gesellschaft“.

Eintreten für Demokratie, Freiheit und Frieden lohne sich, wie die friedliche Revolution im Osten und der Fall der Mauer gezeigt hätten. Dennoch sei der Frieden brüchig, wie die Opfer der aktuellen Bürgerkriege sowie von Terroristen deutlich machten. „Deswegen ist ein aktives Eintreten für Demokratie, Freiheit und den Frieden ein Auftrag für uns alle“, appellierte Christians Seitz in seinem eindringlichen Schlusswort. Dass es verstanden wurde, zeigten die vielen nachdenklichen Gesichter. Alexander van de Loo