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50 Jahre WGS: Direktor Richter erinnert sich

Interview mit Schulleiter Dr. Richter: „Wir wollen unsere Kinder entwickeln - nicht verwalten"

Mit dem Direktor der Krifteler Weingartenschule, Dr. Christoph Richter, sprach Alexander van de Loo am Tag vor der 50-Jahr-Feier über Erinnerungen an seine Schulzeit, die Zukunft der Schule und wofür Schule früher stand und heute steht.

Herr Dr. Richter, ihre Mutter als ehemalige Lehrerin, zwei Töchter, ein Sohn als Schüler und Sie selbst – alle WGS sozialisiert. Wie ist das denn, wenn man die eigene Mutter in der Schule erlebt?

In der Regel habe ich nie Unterricht bei meiner Mutter gehabt. Das ist ja auch verboten. Nur mal in Vertretung. Dann allerdings war ich immer besonders auf dem Kieker. Obwohl ich Vorbild sein wollte. Meine Kinder nehmen mich pragmatisch, sie wissen, dass sie keine Sonderstellung haben.

Sie selbst kommen ja aus einem Lehrerhaushalt...

In meiner Familie gibt es schon eine längere Lehrerdynastie. Meine Oma und meine Mutter. Beide wollten unbedingt, dass ich auch Lehrer werde. Bis zur Promotion als Biochemiker habe ich mich dagegen erfolgreich wehren können. 2006 standen mir dann beide Wege offen: Wissenschaft und Schule. Ich habe mich dann für Schule entschieden und das bis heute nicht bereut.

Ihre eigene Schulzeit liegt ja schon ein paar Jahre zurück – gibt es etwas, das sich seitdem kaum verändert hat?

Meinen alten Klassenraum gibt es noch. Einige Tische habe ich auch gesehen, an denen ich selbst noch gesessen habe. Bei der Recherche für das Fest habe ich mein altes Klassenbuch gefunden, mit allen Fehlzeiten und so weiter. Das war wie eine Art Zeitreise. Da kommen schon mal nostalgische Gefühle auf. Allein die alten Namen zu lesen. Sofort fällt mir wieder etwas dazu ein. Da tauchen Bilder auf. Komischerweise erinnert man sich an die anderen immer eher als an sich selbst. Zumindest, was das Verhalten anging (lacht).

Wie waren denn die Schüler und Lehrer früher zu der Zeit, als Sie selbst Schüler waren?

Wir haben früher mehr Unsinn gemacht als die Kinder heute. Aber als Beteiligter hat man natürlich auch mehr mitbekommen. Im Grunde ist es so geblieben: Der Lehrkörper weiß nicht immer alles. Das war früher so und ist auch heute noch so. Etwas hat sich aber schon geändert. Früher wurde nicht so viel Tamtam um alles gemacht. Man ging toleranter miteinander um. Zwischen Lehrern, Schülern und Eltern. Ich meine, mich zu erinnern, dass auch schon mal ein Schwamm oder gar ein Schlüsselbund durch das Klassenzimmer flog - aber das hat man lachend hingenommen. Heute natürlich unmöglich.

Was hat sich aus Ihrer Sicht in den letzten 50 Jahren an der Weingartenschule besonders positiv entwickelt?

Was mich immer wieder erstaunt: Man bekommt heute als Lehrer oder Lehrerin schon öfter mal die Türen aufgehalten. Das gab es früher so nicht. Respekt ist eine gute Sache, wir achten ja sehr auf gute Umgangsformen. Uns wird das immer wieder am Tag der offenen Tür bestätigt. Früher endete die Schule um 13 Uhr. Heute sind wir Ganztagsschule. Das ist schon ein Riesenunterschied. Unsere Angebote nachmittags werden sehr gut angenommen. Allein, dass wir eine so vielschichtige Schule geworden sind, erfüllt mich mit Stolz. Die Digitalisierung und Ausstattung mit I-Pads und Projektoren. Wenn ich an die Sprachreisen denke, wohin die gehen heutzutage: Rom, Valencia, Paris und Berlin sowieso. Und nächstes Jahr können wir uns alle auf eine Skifreizeit freuen.

Und was sehen Sie kritisch?

Die kommende Revolution durch die Künstliche Intelligenz. Die Allgegenwart der Handys. Die Macht der sozialen Medien. Das betrifft uns heute und wird uns mehr und mehr beschäftigen.

Was gefällt Ihnen denn heute am besten an der WGS? Was schätzen und mögen Sie am meisten?

Der Umgang miteinander ist schon sehr freundlich, mit Schülern - größtenteils (zwinkert) und mit Kollegen - größtenteils (zwinkert). Bei den Elternabenden merke ich doch, dass wir eine kleine, familiäre Schule geblieben sind. Also, natürlich soweit das möglich ist bei 1100 Schülern… aber das hat Seltenheitswert. Der Austausch zwischen Elternbeirat und Kollegium beispielsweise ist erfreulich konstruktiv und offen. Die Schule wird gerne gewählt. Vor 50 Jahren haben wir mit 930 Schülern angefangen. Vor 20 Jahren schrumpfte die Schülerschaft auf 590 Schüler. Heute hat sich die Zahl verdoppelt. Ich nehme das als Riesenkompliment für die Ausrichtung der Schule. Obwohl - mittlerweile wird es schon ein bisschen eng (lacht). Die Menge an neuen Schülern ist nicht nur zuzugsbedingt. Das liegt auch am Kollegium und seinen guten Konzepten. Im Grunde ist die WGS drei Schulen in einer. Und dabei innerhalb der drei Schulzweige durchlässig und flexibel.

Wie sehen Sie die Zukunft der Weingartenschule – was wünschen Sie sich für die nächsten 50 Jahre?

Die Bürokratie muss dringend abgebaut werden. Weil sie zu Lasten der pädagogischen Fähigkeiten und der Schülerschaft geht. Das sieht zwar jeder so, trotzdem ändert es sich nicht. Es hat sich verselbstständigt. Bürokratie fängt mit einer Liste an, dann haben plötzlich alle Listen, es wird mehr und mehr verwaltet. Ein Dominoeffekt. Dem sollte dringend Einhalt geboten werden. Denn wir wollen unsere Schüler entwickeln, nicht verwalten. Das Wohl der Kinder sollte immer im Fokus stehen.

Was rufen Sie Ihren Schülern für die Zukunft zu? Was sollten Sie beachten, um in der Gesellschaft ihren Platz zu finden?

Glaubt an Euch selbst. Entdeckt Eure Fähigkeiten. Habt Mut und findet heraus, was Ihr wollt. Und vor allem: kümmert Euch um eine gute Ausbildung! Dann geht Ihr Euren Weg.