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DAS passiert in Kriftel

Musikforum füllt Rathaus-Foyer

Lächeln unter Tränen – in der Nazizeit verfemte Künstler und ihre unbeschwerten Melodien   

Am Sonntag veranstaltete das Musikforum Kriftel ein Konzert mit dem Titel “Verboten und verbannt, beliebte Melodien - verfemte Künstler”. Das Programm setzte sich dabei zusammen aus Stücken verfolgter Komponisten klassischer deutscher Unterhaltungsmusik in der Nazizeit und umfasste Werke von Paul Abraham, Oscar Straus, Georg Kreisler, Friedrich Hollaender, Leon Jessel, Kurt Weill, Robert Stolz, Werner R. Heymann, Leo Fall und Emmerich Kálmán.

Die insgesamt 19 Beiträge wurden von sechs Mitgliedern der Bel-Voce Gesangssolisten als auch von zwei Mitgliedern des Gesangsstudios Vollmert, Karin Herkströter und Klaus Gallenbacher, vorgetragen. Begleitet wurden die Solisten von Norbert Henß am Piano. Die künstlerische Gesamtleitung hatte Erika Sommer. Der Zulauf und das Interesse waren enorm: 120 Interessierte kamen ins Rathaus, um den Melodien zu lauschen. Ihre Begeisterung schlug sich auch in einer außergewöhnlich hohen Spendensumme von 813 Euro wider, die der Arbeit des Kulturforums zugeleitet werden wird.

Wunsch nach einer besseren Welt

Der Leiter des Musikforums, Dietmar Vollmert, eröffnete den Abend als Organisator mit den folgenden Zeilen aus dem Musikfilm “Ein blonder Traum”: “Irgendwo auf der Welt/gibt’s ein kleines bisschen Glück/und ich träum davon in jedem Augenblick/irgendwo auf der Welt gibt’s ein bisschen Seligkeit/und ich träum davon schon lange, lange Zeit!/Wenn ich wüsst, wo das ist, ging ich in die Welt hinein/denn ich möchte einmal recht so von Herzen glücklich sein./Irgendwo auf der Welt fängt mein Weg zum Himmel an

irgendwo, irgendwie, irgendwann.” Diese Zeilen stehen stellvertretend für das, was die Beiträge des Abends verband: Der Wunsch nach einer besseren Welt, in der die Autoren der Werke nicht verfolgt würden, fliehen müssten oder sogar in KZs ermordet würden.

Mit Ausnahme der Lieder von Georg Kreisler, die nach dem 2. Weltkrieg entstanden, sind alle anderen Beiträge vor 1933 im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts entstanden. So konnten die beliebten und bekannten Melodien noch zu einer Zeit entstehen, in der die Autoren der Werke noch nichts von ihrem späteren Leben wissen konnten. „Das Wissen aber um das, was ihnen dann widerfuhr, kann uns heute nicht mehr unbeschwert an diese Werke herantreten lassen“, so Vollmert im Vorwort in der Anmoderation.

Intensives Erlebnis

So kommen viele dieser Werke inzwischen auch wieder auf die Opernbühnen, allen voran in der Komischen Oper in Berlin unter Barrie Kosky. Andere Werke sind inzwischen, so in Wien, ins Standardrepertoire aufgenommen worden. So schwebte über allen Vorträgen das oben erwähnte Wissen über die Geschichte der Künstler und prägte dadurch die Gestaltung des Vortrages der einzelnen Beiträge.

Tiefe Ernsthaftigkeit aber auch schwarzer Humor auch bei den fröhlichsten und unbeschwertesten Texten zog sich durch alle Darbietungen und machte den Abend zu einem intensiven Erlebnis: Eröffnet wurde der Konzertabend von Dominik Schumertl, der “Bin nur ein Jonny” aus der "Blume von Hawaii” mit der dem Lied innewohnenden Süffisanz vortrug, und damit die Zuhörerschaft auf einen tollen weiteren Verlauf des Konzertes einstimmte. Weiter ging es mit “Pardon Madame” aus “Viktoria und ihr Husar”, das von Klaus Gallenbacher vorgetragen ebenfalls den Witz von Paul Abraham gebührend zur Geltung brachte. Karin Herkströter entführte dann “Leise, ganz leise” in den “Walzertraum” und seine Glückseligkeit.

Frauke Link führte die unterschiedlichsten Gestaltungsmöglichkeiten des Klauens vor. Vom Büstenhalter bis zum Bechstein-Flügel reicht das von Hollaender ausgesuchte Portfolio der Wünsche “Der Kleptomanin” - “tanzend um die Welt”. Mit Weills “Die Seeräuberjenny” und “Surabaya Johnny” aus “Dreigroschenoper” sowie “Happy End” entließ und Angelika Negwer angemessen in die Pause.

Nach der Pause forderte Janina Knothe beherzt “Spiel auf deiner Geige” aus “Venus in Seide” und Karin Herkströter besang beseelt “Der Kaiser an meiner Seite” aus “Der Favorit”, beides Stücke von Robert Stolz. Nach vielen weiteren Highlights ging das Konzert mit drei Stücken von Kálmán aus “Gräfin Mariza” sowie “Die Csárdásfürstin” zu Ende: “Grüß mir die süßen, die reizenden Frauen” forderte nachdrücklich Karsten Schmidt-Hern und Karin Herkströter und Klaus Gallenbacher träumten zusammen mit allen Soli “Tanzen möcht’ ich”. M. Pfützner